30. MÄRZ 2020

18:19 Uhr

Sonnenschein und ein eisiger Nordwestwind begleiten mich auf meinem täglichen Lokalaugenschein weit hinaus, nach Transdanubia. Heute nehme ich die Bürotürme und das Umfeld der Donau City in den Fokus meiner Fotoreportage. Ich habe mir auch schon einen Arbeitstitel für mein ambitioniertes Projekt überlegt: Silent Vienna. Nomen est omen. Das riesige Areal der Donauplatte wirkt wie ausgestorben. Allein der 220 Meter hohe DC-Tower, Wiens höchster Büroturm, beherbergt 3.500 Menschen. Am heutigen Montag herrscht rund um dieses imposante Bauwerk eine bedrückende Stille.

Ein paar Schritte weiter gelange ich in die Hauptpromenade der Geisterstadt. Der Wind bläst mir kräftig um die Ohren, dass es mir manchmal fast den Atem nimmt. Auch in besseren Tagen ist dieser Ort kein besonderer. Wohnen und Arbeiten zwischen Asphalt und rohem Beton ist allgegenwärtig. Alles wirkt Grau in Grau. Bäume und Schattenspender sind hier Mangelware. Der einzige Kinderspielplatz, abgesperrt.

Ich verliere mich in den Straßenschluchten, Gängen und Ebenen. Kämpfe mal wieder gegen eine mächtige Windböe und brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich aus diesem Hochhaus-Labyrinth wieder herausfinde. Endlich erreiche ich das Tor ins Grüne. Vor mir breitet sich der Donaupark aus. Mit Blick auf den Kahlenberg, die Donau und eine verwaiste Donauufer-Autobahn.

Soeben erreicht mich die Nachricht, dass von oberster Stelle aus die Corona-Maßnahmen verschärft werden. Noch vor dem Wochenende wurde das Gegenteil verlautbart. Aber es ist offiziell: Ab Mittwoch muss ich in den Öffis, im Supermarkt und in geschlossenen Räumen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Auch das wird mich nicht aufhalten, das Gesehene akribisch zu dokumentieren. Ich atme tief durch und mache mich auf den Heimweg. Ohne Maske.

Ich bin mir vollkommen bewusst, dass Masken für unsere Kultur etwas Fremdes sind.