24/12

12 Monate lang – beginnend am Heiligen Abend 2024 – wird die Baumkrone einer gewaltigen, vierstämmigen Esche im Wienerwald abgelichtet. Die Aufnahmen erfolgen am jeweils 24. des Monats um exakt 12:24. Am Ende des Projekts werden alle 12 Aufnahmen zu einem Jahreszeitenbild zusammengeführt und als Unikat in einer Ausstellung gezeigt. Das Bild kann käuflich erworben werden.

Yggdrasil, der Weltenbaum, ist eines der zentralen Symbole in der nordischen Mythologie. Seine Bedeutung ist vielschichtig und durchdringt nahezu alle Aspekte der kosmologischen und spirituellen Vorstellungen der nordischen Völker. Die kraftvolle Esche im Wienerwald, nahe dem Anninger, wurde nach mehrjähriger Recherche für dieses Projekt ausgewählt. Dieser Baum ist für mich ein Symbol für die Suche nach tiefem Wissen und der Verbindung zwischen dem Individuum und dem Universum.

VERBINDUNG DER WELTEN

Yggdrasil fungiert als Achse Mundi, die „Weltachse“, die alle neun Welten miteinander verbindet. Der Baum überbrückt räumliche, zeitliche und spirituelle Grenzen. Er symbolisiert die Einheit des Kosmos und die Interdependenz der verschiedenen Welten und ihrer Bewohner. Seine Äste erstrecken sich in den Himmel, während seine Wurzeln tief in die Erde und die Unterwelt reichen. Yggdrasil verbindet Himmel (Götterwelten), Erde (Menschenwelt) und Unterwelt (Totenreiche). Der Baum schafft eine Brücke zwischen den verschiedenen Wesenheiten: Göttern, Menschen, Riesen, Alben, Zwergen und Toten.

SYMBOL FÜR DAS LEBEN

Yggdrasil repräsentiert das gesamte Leben und seine Zyklen – Geburt, Wachstum, Verfall und Erneuerung. Der Baum ist voller Lebenskraft, was durch die verschiedenen Quellen und Brunnen an seinen Wurzeln verdeutlicht wird. Gleichzeitig ist er durch Angriffe von Kreaturen wie Nidhöggr, den vier Hirschen und anderen Wesen ständig bedroht, was den unvermeidlichen Zerfall und die Endlichkeit des Lebens darstellt. Obwohl Yggdrasil angegriffen wird, bleibt er bestehen. Dies steht für die Widerstandsfähigkeit des Lebens und die Fähigkeit zur Regeneration

WISSENS UND WEISHEIT

Die Brunnen, die unter Yggdrasils Wurzeln liegen, sind Quellen der Weisheit, des Schicksals und des kosmischen Wissens. Mímisbrunnr (Mimirs Brunnen): Odin, der oberste Gott, opfert eines seiner Augen, um von diesem Brunnen Weisheit zu erhalten. Dies zeigt, dass Wissen und Einsicht Opfer erfordern. Urdabrunnr (Urds Brunnen): Hier wohnen die Schicksalsnornir (Urd, Verdandi und Skuld), die die Lebensfäden aller Wesen weben. Sie bestimmen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hvergelmir: Dieser Brunnen, aus dem alle Flüsse entspringen, symbolisiert den Ursprung allen Lebens.

Jahreszeitenbilder

Dezember · Jänner  · Februar · März  · April  · Mai  · Juni  · Juli

YGGDRASIL

01

24. Dezember 2024

Oberhalb des Gumpoldskirchner Schlosses beginnt der Kreuzweg, die christliche Variante eines Meditationsweges, der den vorchristlich-„heidnischen“ Initiationsweg ersetzt hat. Diesen viel älteren Weg findet man dann gleich nach dem „Roten Kreuz“ – eine uralte Grenzmarke, die seinerzeit mit Stierblut alljährlich zu Georgi aufgefrischt wurde – als Siebenbrunnengraben, der ziemlich steil zur „Dreidärrischenhöhle“ am Anninger ansteigt.

Und hier thront sie, die vierstämmige Esche, die in den nächsten 12 Monaten im Fokus meines neuen Projektes steht. Diese Riesenechsche symbolisiert für mich wie kein anderer Baum die mythologische Weltenesche Yggdrasil und ihre vier Stämme erinnern an die vier Pfeiler, auf denen – der nordischen Mythologie nach – die Erde ruht.



YGGDRASIL

02

24. Jänner 2025

Der steil ansteigen Weg wird gesäumt von Steinreihen, die wie Perlen einer Meditationsschnur in einer Reihe stehen. Eine mystische, spirituelle Stimmung liegt über dem Siebenbrunnengraben, welcher mich zur Lichtung mit der gewaltigen vierstämmigen Esche führt. Mächtig bewacht sie den Eingang zur Dreidärrischenhöhle, der größten Höhle im Wienerwald.

Ihren Namen hat die Höhle von menschenähnlichen Felsgestalten, die „därrisch“ (taub) sein sollen. Zudem werfen diese Felsen um die Höhle kein Echo zurück. Zu früheren Zeiten diente die Dreidärrischenhöhle als Opferstätte für Totenkulte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Höhle für Besucher zugänglich gemacht. Elektrische Beleuchtung wurde installiert und neben dem natürlichen Höhleneingang eine Schutzhütte, das „Bergheim“ errichtet. Unterhalb des Bergheims sieht man den Stolleneingang zur Höhle, die hier 230 Meter tief in den Anninger hineinführt.

YGGDRASIL

03

24. Februar 2025

Sanfter Regen und milde Temperaturen begleiten mich bergauf zu meiner Esche. Der Regen tut ihr sichtlich gut. Ich atme die frische Luft ein. Lausche den Vögeln. Genieße die wohltuende Ruhe und erinnere mich an mein Studium über die drei Quellen Yggdrasils, die unterhalb ihrer ausladenden Wurzeln entspringen.

Die erste Wurzel der Weltenesche erstreckt sich zum Himmel der Asen an den Fluss Äsir. Dort befindet sich der Urdsbrunnen – auch Schicksalsbrunnen genannt. Der heilige Brunnen ist die Gerichtsstätte der nordischen Götter, an der die Beratungen vollzogen werden. In der Nähe steht das Haus der drei Nonnen Urd, Skuld und Werdani. Die Nonnen bestimmen die Lebenszeit der Menschen. 

Am Fuße der zweiten Wurzel befindet sich der Ort der Frostriesen, die Hrimthursen. Hier steht der Mimirsbrunnen, welcher für Weisheit und Verstand steht. Hüter dieser Quelle ist Mimir. Wer aus diesem Brunnen trinken will, muss jedoch ein Pfand als Gegenleistung geben. Als Odin aus dem Brunnen von Mimir trank, schenkte er sein rechtes Auge und gewann dadurch Weisheit und Einsicht in die Geheimnisse der Welten.

Die dritte Quelle unter den Wurzeln ist in der Totenwelt Niflheim angesiedelt. Hvergelmir – die Quelle aller Flüsse – wird von dem Neiddrachen Nidhöggr bewohnt, der von unten an der Wurzel des Yggdrasils nagt. 

YGGDRASIL

04

24. März 2025

Die Wahl der Esche als Baum für Yggdrasil hat ihren Ursprung in der nordischen Kultur und Mythologie. Die Esche galt als heiliger Baum und wurde als Symbol für Wachstum, Kraft und Stabilität angesehen. Sie war auch mit Odin, dem obersten Gott in der nordischen Mythologie, verbunden.

Es wird gesagt, dass Odin selbst neun Tage und Nächte am Stamm einer Esche hing und dabei Weisheit und Wissen erlangte. Aus diesem Grund wird die Esche mit spiritueller Entwicklung und persönlichem Wachstum in Verbindung gebracht. Die Wahl der Esche für Yggdrasil betont die Bedeutung des Baumes als Quelle von Weisheit und Verbindung zwischen den Welten.

Die nordische Umwelt und die spezifischen Eigenschaften der Esche haben wahrscheinlich auch zur Wahl dieses Baumes beigetragen. Eschen sind robuste Bäume, die in verschiedenen Klimazonen gedeihen und starken Belastungen standhalten können. Dies spiegelt die Idee wider, dass Yggdrasil stark und widerstandsfähig sein muss, um die Welten zu verbinden und ihre Kontinuität sicherzustellen.

YGGDRASIL

05

24. April 2025

Eine der neun Welten Yggrasils ist Álfheimr, eine lichtdurchflutete Region und Heimat der Lichtelfen. Es ist ein Ort der Harmonie, an dem die Elfen in Einklang mit der Natur leben und ihre magischen Kräfte dazu nutzen, das Leben in allen Formen zu fördern. Die Verbindung zwischen den Elfen und der Erde zeigt sich in ihrer Rolle als Wächter des Wachstums und der Ernte. Sie sind Hüter der natürlichen Zyklen und spielen eine wichtige Rolle in der Fruchtbarkeit der Pflanzen und Tiere.

In der nordischen Mythologie wird Álfheimr oft als eines der höheren Reiche angesehen, wo die Lichtelfen über das Schicksal der Welt wachen. Im Gegensatz zu den Dunkelalben (Svartálfar), die in den Tiefen der Erde leben, sind die Lichtelfen mit dem Himmel und der Sonne verbunden. Diese Dualität zwischen Licht und Dunkelheit spiegelt die Vorstellung wider, dass das Leben durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit, von Wachstum und Ruhe bestimmt wird.

YGGDRASIL

06

24. Mai 2025

Nicht nur in der nordischen Mythologie spielt die Esche eine zentrale Rolle in der Vorstellung des Kosmos, verbunden mit dem Himmel, der Erde und der Unterwelt. Auch in der keltischen Kultur wurde die Esche als Schutzbaum verehrt. Sie galt als ein Tor zu anderen Welten und wurde oft in Ritualen und Zeremonien verwendet. Ihre Blätter, Samen und Holz hatten dabei eine besondere symbolische Bedeutung.

Spirituell besaß die Esche im keltischen Brauchtum eine immense Bedeutung: Sie war die Verbindung der hiesigen Welt mit der Anderswelt – dem Sitz der Götter und der Welt der Ahnen. Die Wurzeln reichen tief in die Vergangenheit – in die sogenannte Unterwelt – während die Blätter sich in die obere Welt erhoben.

Die Kelten lebten im Zusammenklang mit der Natur, im Glauben, dass alles, was uns umgibt, durch die Zeit miteinander verwoben ist: Sonne und Mond, Tier, Mensch und Pflanze. Alles bedingt sich, nährt einander und kehrt in umgewandelter Form wieder.

YGGDRASIL

07

24. Juni 2025

In der nordischen Mythologie ist das Zyklische ein zentrales Motiv. Ordnung und Chaos, Licht und Dunkelheit, Leben und Tod, all das begegnet uns in den Mythen immer wieder. Das Gleichgewicht ist dabei aber nicht stabil, sondern dynamisch.

Ständige Veränderungen bestimmen den Zyklus des Lebens und der Welt. Durch die Geschichten über Götter, Naturkräfte und kosmische Zyklen zeigt die Mythologie, dass Balance niemals statisch ist, sondern ein fortwährender, lebendiger Prozess von Zerstörung und Erneuerung.

Yggdrasils Wurzeln erstrecken sich tief in die Erde, während seine Äste hoch in den Himmel ragen. Über die Wurzeln und Äste des Baumes ist alles miteinander verbunden. Tiefenpsychologisch gesehen stehen die Wurzeln für unsere Verbindung zu den tiefen Aspekten unseres Seins und unserer Herkunft, während die Äste für unser Streben nach Wachstum, Erkenntnis und Spiritualität stehen. Die Balance zwischen diesen beiden Aspekten kann uns helfen, unser inneres Selbst zu verstehen, unsere Tiefen auszuloten und zu entdecken.Und unsere Dunkelheit zu integrieren.

YGGDRASIL

08

24. Juli 2025

Rund um Yggdrasil ranken sich zahlreiche Mythen und Geschichten, die seine Bedeutung und seine Rolle im Leben der Wikinger verdeutlichen. Eine der bekanntesten Geschichten ist die von Odin, dem obersten Gott der nordischen Mythologie, der neun Tage und Nächte an Yggdrasil hing, um die Geheimnisse der Runen zu erlangen. Diese Tat zeigt die Opferbereitschaft und die Suche nach Wissen, die mit Yggdrasil verbunden sind.

Ein weiterer wichtiger Mythos ist der von den drei Nornen, die am Fuße von Yggdrasil leben. Diese Schicksalsgöttinnen weben die Fäden des Schicksals aller Lebewesen und gießen Wasser aus dem Brunnen der Weisheit über die Wurzeln des Baumes, um ihn am Leben zu erhalten. Dies unterstreicht die Vorstellung, dass Yggdrasil nicht nur das Universum zusammenhält, sondern auch das Schicksal aller Lebewesen beeinflusst.

Auch die Kreaturen, die in und um Yggdrasil leben, sind von Bedeutung. Der Drache Nidhöggr nagt an den Wurzeln des Baumes, während ein Adler in seinen Ästen sitzt. Diese Wesen symbolisieren die ständige Bedrohung und den Schutz, die Yggdrasil umgeben, und verdeutlichen die Dualität von Leben und Tod, Wachstum und Zerstörung.

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